Tour-Guide Tour


Ursprünglich wollte ich diesen Abschnitt in einen anderen Beitrag quetschen, den ich gerade am schreiben bin, allerdings würde dieser dadurch wieder so immens lang werden, was ich dieses Mal vermeiden möchte. In kleineren Häppchen liest es sich leichter. Und eigentlich war der vorliegende Artikel schon vor zwei Wochen fertig, aber ich habe irgendwie vergessen, ihn zu veröffentlichen. Sorry!

Ich war 8 Tage lang als eine Art Assistenz-Reiseführer unterwegs! Die Tour sollte anderthalb Wochen dauern und ich sollte die erste Hälfte begleiten. Diese fand im Raum Tokyo statt. Nun war ich aber nicht mehr in Tokyo, deshalb hätte ich lieber die zweite Hälfte gemacht, die sich in Kyoto und Umgebung abspielen sollte. Naja, die Bezahlung war nicht schlecht, deshalb konnte ich mir den Zug nach Tokyo locker leisten, also was soll’s 🤷‍♂️ Nachdem ich mit dem Gasthaus, in welchem ich aushelfe, meine freien Tage geklärt hatte, wurde ich vom Reisebüro gefragt, ob ich nicht vielleicht doch die gesamte Tour mitmachen könne, aber ich lehnte ab, da ich nicht alle elf Minuten den Dienstplan vom Gasthaus umschmeißen wollte. Die Gruppe wurde von zwei weiteren Guides begleitet, ich sollte die Tour eher als Training ansehen und Übersetzer für den einen spielen, der kein Deutsch sprach. Er sprach zwar Englisch, aber es gab einige Touris, die nur Deutsch konnten. Schon bald war es so weit. Ich packte meine sieben Sachen für fünf Tage und ich nahm zum ersten Mal den berühmten Shinkansen-Zug, der je nach Modell bis zu 300km/h schnell wird. Ich verbrachte die Nacht in einem 3-Sterne-Hotel in Ueno. Trotz der Nervosität konnte ich einigermaßen gut schlafen. Meine erste Aufgabe bestand darin, zwei der Gäste vom Hotel abzuholen und zum Rest der Gruppe zu bringen. Ich ging erst davon aus, dass ich die anderen Guides dort treffen würde, aber dem war nicht so. Naja, das Uber-Taxi war bereits durch das Büro organisiert, also habe ich diese schwere Herausforderung alleine meistern können. Am Zielort (Odaiba) traf ich dann auf den Rest der Gruppe. Zum Mittag gab es ein Buffet und später ging es mit zwei Bussen zum Hotel (die Gruppe war ziemlich groß).

Während ich am ersten Tag noch topmotiviert viel Eigeninitiative gezeigt habe, hatte ich ab dem zweiten Tag schon keine Lust mehr. Es war mehr als chaotisch. Die Tour war sehr lückenhaft durchgeplant. Dadurch gab es alle 20 Sekunden eine Planänderung. Klar braucht man eine gewisse Flexibilität bei so einer Tour, aber teilweise stand selbst am Vortag noch nicht fest, wo genau es morgen z.B. fürs Mittagessen hingeht. Und bei einer Gruppe von über 50 Leuten ist es nicht unbedingt einfach, auf die Schnelle ein Restaurant zu finden. Hinzu kam, dass die Kommunikation untereinander nicht so erfolgreich verlief. Wir waren drei Tourguides und zwei deutsche Gruppenleiter. Die zwei japanischen Guides waren sehr fähige und freundliche Leute mit sehr viel Erfahrung und Wissen, aber sie waren keine Teamplayer. Oft wurde ich in die Planung gar nicht einbezogen, und sämtliche Infos, die man mir mitteilte, stellten sich früher oder später als falsch heraus, da sich in der Zwischenzeit mehrmals umentschieden wurde und man mich nicht darüber unterrichtet hatte. So stand ich immer als der Idiot dar, der die Leute entweder mit gar keinen oder mit falschen Informationen versorgte. Dadurch gab es zu Recht häufig Beschwerden. Auf der anderen Seite haben einige Leute aber auch zu Unrecht genörgelt. Extrawürste gab es selbstverständlich auch immer mal wieder. Zu allem Überfluss war das Wetter auch noch ziemlich kacke muss man sagen. Am schlimmsten war aber der Tag, an dem wir noch zwei Tourguides mehr (!) im Gepäck hatten. Diese hatten wohl irgendwie Fachwissen über Architektur oder so, und da es sich bei den Touris um Bauunternehmer etc. handelte, sollte es für sie besonders interessant werden. Die eine Gruppenhälfte schien zufrieden zu sein, unser Fachmann war allerdings nicht sehr gesprächig und auch nicht besonders begabt darin, die Gruppe zusammenzuhalten. Er rann immer so weit vor, dass man ihn trotz seiner emporgehobenen Fahne kaum wiederfinden konnte. Außerdem hatten wir es so abgesprochen, dass er halt auf Englisch was vom Pferd erzählt und ich es dann ins Deutsche übersetze. Daher hatte ich das Mikro an mir, damit die Touris mit den Audioguides dann die Deutsche Fassung hören konnten. Statt es so umzusetzen, nahm er jedes Mal das Mikro in die Hand und drehte sich weg, sodass ich nichts hören konnte (im Gegensatz zu den Touristen hatte ich keine Kopfhörer). Daher konnte ich auch nicht besonders viel übersetzen. Laut den Deutschen hat er aber sowieso meistens nur die Namen der Architekten und das Baujahr genannt.

Neben den obligatorischen Abstechern nach Shibuya (Kreuzung und Hachiko-Statue) und Asakusa (Skytree, Sensoji, Bootsfahrt) ging es auch zu etwas bildenden Einrichtungen. In Tokyo existieren zwei Edo-Tokyo-Museen (Edo ist der altertümliche Name Tokyos), von denen wir beiden einen Besuch abstatteten. Das erste war open-air, mit betretbaren Häusern aus der Zeit von der Edo-Periode (1603-1868) bis heute. Das zweite Museum war drinnen und bestand aus einer originalgetreuen Nachbildung einiger Straßen aus der Edo-Zeit. Die künstliche Beleuchtung imitierte die unterschiedlichen Tageszeiten im Schnelldurchlauf und sorgte somit für unterschiedliche Atmosphären.

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Heute leben die Menschen genauso, bloß mit Klimaanlage.

Auch Hakone stand auf dem Plan. Im Gegensatz zum Letzten Mal, als ich dort war, hatte ich diese time around die Gelegenheit, das Hakone Open-Air Museum zu sehen. Dort ausgestellt waren hauptsächlich Skulpturen, die teils sehr cool aussahen. Unabhängig davon war es aber auch einfach ein schöner Park auf einem Berg, von dem aus man in die Ferne blicken konnte. Schöne Idee, sollte man an mehr Orten umsetzen, wenn ihr mich fragt.

Das Kunstwerk spricht mir aus der Seele.
Das auch.

Das Highlight der Tokyo-Hälfte war jedoch der Miyagase-Staudamm. Die Stimmung war gut, im Bus wurden Späße gemacht*, es gab einen Vortrag zur Bauweise und Funktion des Damms, die Leute waren wahnsinnig interessiert und haben viele Fragen gestellt, und die Umgebung sah schön aus. Leider wurde ausgerechnet hierfür nicht genug Zeit eingeplant, sodass wir praktisch direkt nach dem Vortrag die einstündige Rückfahrt antreten mussten 🙄

*besagte Späße: „Hier in der Gegend wird eher weniger gejagt, da es hier nicht so viele Tiere gibt, die gejagt werden wollen.“ oder aber einer von mir: Die ersten zwei Tage gab es beide Male HotPot zum Mittag, wo man einen Kochtopf vorgesetzt bekommt und die einzelnen Sachen selbst gart. Da wurde sich natürlich über mangelnde Abwechslung beschwert. Deshalb erlaubte ich Scherzkeks mir den Gägg, den Leuten zu verklickern, dass es heute zum Mittag wieder HotPot geben würde, um sie ein Bisschen zu ärgern. Natürlich löste ich sofort auf, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Was ich zu dem Zeitpunkt allerdings nicht wusse: Am Tag darauf gab es tatsächlich wieder HotPot zum Mittag…

Von da an hat es sich einigermaßen eingependelt. Es war immer noch chaotisch und anstrengend, aber ich machte mir weniger draus und die Gäste hatten sich allem Anschein nach ebenfalls damit abgefunden. An einem Abend habe ich sogar freiwillig nach Feierabend einen Teil der Leute auf deren Wunsch hin nach Akihabara geführt und dafür etwas Taschengeld bekommen 💴 Mit vielen von ihnen verstand ich mich ganz gut und von manchen habe ich gesagt bekommen, dass ich ein hilfreicher Tourguide sei, der durchaus interessante und wissenswerte Dinge erzählt 🥰 Als ich von den deutschen Organisatoren gefragt wurde, ob ich nicht vielleicht doch den Rest der Tour mitmachen könne, klärte ich es mit dem Reisebüro und dem Gasthaus ab und begleitete die Gruppe für drei weitere Tage. So musste ich den Zug zurück nach Kyoto nicht selbst bezahlen und würde sogar noch mehr Geld bekommen. Und trotz der vielen Ärgernisse hat es immer noch ein Bisschen Spaß gemacht. Lohnen würde sich das also auf jeden Fall, ganz zu schweigen von den unterschiedlichen Reisezielen. Den Kram in Tokyo und Hakone hatte ich ja schon gesehen, aber Kyoto und Umgebung waren neu für mich 😁 Und sobald das Wetter besser wurde, besserte sich auch die Laune der Deutschen ☀

In Kyoto entdeckte ich ein Geschäft mit echten Farbholzschnitten! Ich habe mal ein Referat darüber gehalten! Einige der Werke waren unbezahlbar, andere aber durchaus erschwinglich.

Unsere Reiseziele in der Kansai-Region umfassten den Fushimi-Inari-Schrein, den Kiyomizu-dera und den Nishiki-Markt in Kyoto, den Nara-Park und Todaiji-Tempel in Nara, ein kleines Dorf im Nirgendwo und am Ende einen Abstecher nach Osaka. Da ich für diesen Teil der Reise ursprünglich nicht eingeplant war, musste mein Kollege auf die Schnelle ein Hotelzimmer organisieren. Allerdings waren nur noch Raucherzimmer frei. Schon als ich das Stockwerk betrat, roch es stark nach Zigaretten. Das Zimmer selbst war selbstverständlich auch nicht besser dran. Kurz auf Toilette gegangen, nahm ich den nächsten Zug nach Otsu und übernachtete dort. Das frühere Aufstehen und die zusätzliche Zugfahrt nach Kyoto jeden Morgen nahm ich gerne in Kauf. First things first: Der Fushimi-Inari-Schrein ist bekannt dafür, dass sich ein paar tausend torii (diese roten Tore) auf seinem Gelände befinden. Letzteres ist relativ groß und man verläuft sich schnell mal (habe ich mir sagen lassen). Die Touris hatten hier Freigang und als die Zeit fast rum war, habe ich den Geheimtipp bekommen, noch schnell dort entlang zum See zu gehen. Eine stille kleine Ecke, die durch den Regen erst so richtig ihre beruhigende Wirkung entfaltete (trotz der Anwesenheit anderer Leute). Zumindest glaube ich, dass es an diesem Schrein gewesen ist. Kann gut sein, dass ich alles komplett durcheinanderbringe und es komplett woanders war. Egal. Ich lief etwas zu spät zurück, hatte aber die Ausrede, dass ich die Letzten aus der Gruppe noch eingesammelt habe (eine Ausrede, die ich während der Tour sehr oft benutzt habe).

Second things second (obwohl ich mich in Wahrheit gar nicht mehr an die Reihenfolge erinnern kann): Nara. Der Legende nach stieg in Nara eine Gottheit herab, auf einem weißen Hirsch reitend, um eine Botschaft zu überbringen (oder so ähnlich). Deshalb genießen Rehe und Hirsche in Nara schon seit Jahrhunderten besondere Vorzüge. Sie gelten dort als heilig und werden durch Gesetze geschützt. Sie laufen dort frei herum und können mit speziellen Keksen gefüttert werden, auch wenn ich persönlich nicht nachvollziehen kann, warum sie diese mögen, aber das ist wohl Geschmackssache. Der Todaiji in Nara ist echt imposant! Er beherbergt eine ebenfalls sehr große und imposante Buddha-Statue. Trotz des Regens fand ich Nara ziemlich schön und würde definitiv nochmal dorthin.

Todaiji (buddhistischer Tempel)

Gegen Ende der Tour, glaube ich, fuhren wir in ein kleines Dorf, in dem es einige strohgedeckte Häuser gab. Da war die Begeisterung bei den Bauunternehmern natürlich wieder besonders groß. In besagtem Dorf lebt einer der letzten Dachdeckermeister dieser Art. Er und seine Lehrlinge reisen des Öfteren sogar bis in andere Länder, um Dächer mit Stroh zu decken. In einem solchen Haus gab es einen Vortrag von ihm und anschließend spazierte jedermann frei durchs Dorf. In einem kleinen Bachlauf entdeckte ich eine kleine Krabbe. Ich wusste vorher gar nicht, dass sie auch in gebirgigen Gegenden leben.

Am Ende (hierbei bin ich mir aber sicher) ging es nach Osaka. Nach dem Abschlussessen (Buffet inkl. Schoko-Fondue) spaltete sich die Gruppe auf, da nicht alle gleichzeitig abreisten. Daher sollte ich einen Teil noch mit zu deren Hotel in Osaka begleiten. Danach war mein part beendet und ich machte mich auf den Heimweg, ohne wirklich was von Osaka gesehen zu haben. Aber es ist ja nicht weit von Otsu, also kann ich theoretisch jederzeit dorthin fahren.

Trotz einiger Kritikpunkte und immenser Erschöpfung hatte ich viel Spaß und bin sehr froh über diese Erfahrung und würde sie jederzeit wiederholen.

Als ich in Tokyo war, traf ich mich mit Golfbert zum Sushi-Essen. Ich weiß nicht mehr, was das für ein Topping gewesen ist, aber es war ziemlich überdimensioniert.
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