…So hieß der Animationsfilm doch, oder?
Hiroshima. Die Stadt, die niemals schläft. Die Partnerstadt Hannovers liegt in der ebenfalls Hiroshima heißenden Präfektur und bedeutet übersetzt so viel wie „breite Insel“, obwohl Hiroshima selbst eigentlich gar keine Insel ist. Allerdings gibt es in ihrer Umgebung einige davon, von denen ich ganze zwei besucht habe. Doch dazu später mehr. Zuerst knüpfen wir an letztes Mal an.
Von Okayama nach Hiroshima dauerte es mit dem Shinkansen nicht allzu lang (übrigens fand ich es sehr komisch, dass man an den Ticketautomaten in Okayama keine Shinkansen-Tickets ab Okayama kaufen konnte…). Ich kam gut gelaunt an, nachdem ich gerade noch rechtzeitig an meine zweite Tasche im Zug gedacht hatte. Das Hostel lag etwa fünfzehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Die Besitzerin schien vom Schreibkontakt her sehr freundlich, und das war sie auch in persona. Doch die anderen drei Helfer, die am folgenden Tag durch mich und eine weitere Helferin abgelöst werden sollten, erzählten mir, sie sei durchaus schwierig und würde oft wütend werden und anfangen zu weinen. Doch wenn sie einen mag, habe man ein gutes Leben. Noch am selben Abend durfte ich Zeuge eines solchen Vorfalls werden, denn sie machte Tempura für uns, verbrannte sich jedoch die Hand und gab uns die Schuld, weil wir ihr nicht geholfen hatten (obwohl wir es ihr eigentlich angeboten hatten). Glücklicherweise kam so etwas während meiner gesamten restlichen Zeit nie mehr vor. Anscheinend hing es tatsächlich damit zusammen, dass sie zwei von den anderen nicht mochte (die nach meiner Einschätzung allerdings echt in Ordnung waren). Bereits nach wenigen Tagen wurde das Hostel von einer Gruppe Franzosen gefüllt, und zwar so voll, dass ich für ein paar Tage bei der Vermieterin zu Hause schlafen musste, echt weird… Aber hey, ich hatte ein eigenes Zimmer, also voll der Luxus! Und am zweiten Tag kam auch schon die andere Helferin an, sodass es sich nicht mehr ganz so komisch angefühlt hat, in einem fremden Haus zu pennen.
Mein Alltag sah folgendermaßen aus: Morgens um 9:30 anfangen, im Schnitt 2,5 Stunden arbeiten (wenn es keine Spezialaufgabe gab), dann mittagessen, spülen, faulenzen/Mittagsschlaf, abends spazierengehen oder so; und das 5x die Woche (also insgesamt sogar weniger Arbeitsstunden als vorher). Jeden Tag gab es irgendwas, das wir anders als sonst machen sollten, und manchmal sollte ich die Laken fein säuberlich platzieren, nur damit die Vermieterin sie direkt danach wieder komplett durcheinanderbringen konnte. Das war aber eher lustig als ärgerlich. Als Gegenleistung für meine harte Arbeit bekam ich nicht nur einen Schlafplatz gestellt, sondern auch gratis Verpflegung. An Arbeitstagen musste ich mir mein Mittagessen nicht einmal selber kochen und oft blieb noch etwas fürs Abendessen übrig, was mich aber selten davon abhielt, zusätzlich noch woanders zu essen. An meinen freien Tagen nahm ich mir häufig vor, irgendwohin zu fahren, zog es jedoch nur in der Hälfte der Fälle durch. Das Wetter in Hiroshima ist nämlich an manchen Tagen so heiß wie am 6. August 1945 um kurz nach 8:00. Na gut, streng genommen ist weniger die Temperatur und eher die krass hohe Luftfeuchtigkeit daran Schuld… Während der Arbeitszeit blieben die Klimaanlagen übrigens immer aus, darum klebte das T-Shirt immer wie angetackert am Körper.
Mit der anderen Helferin kam ich ganz gut aus und wir haben ab und zu mal was zusammen unternommen (z.B. Karaoke), trotzdem war die meiste Zeit jeder für sich. Von den Gästen, mit denen man ab und an ins Gespräch kam, ist mir besonders ein Koreaner in Erinnerung geblieben, der sehr geerdet war und mir davon erzählte, wie hart das Leben in Korea sei. Tatsächlich erinnere ich mich an eine Statistik, nach welcher die Menschen dort durchschnittlich sogar noch mehr Überstunden machen als die in Japan.

Da der August ansonsten nicht sehr ereignisreich gewesen ist, lasst mich noch ein Bisschen Text füllen und euch etwas über die Geschichte Hiroshimas (abseits des Offensichtlichen) erzählen. Die folgenden Infos habe ich von meiner Vermieterin bekommen und nicht im Geringsten gegengeprüft, von daher solltet ihr es nicht zwingend für bare Münze nehmen. Womöglich sind die Infos aber zuverlässiger als alles, was ich euch bisher so über Japan erzählt hab.
Da Hiroshima eine sehr gebirgige Landschaft hat, gibt es wenig Reisanbaufläche und viel Schatten, sodass es lange Zeit eine arme Gegend gewesen ist. Damals starben viele Kinder an Armut oder wurden sogar von ihren eigenen Eltern umgebracht, da sie sie nicht weiter versorgen konnten. Dies war nicht strafbar, denn im alten Japan galten Kinder erst ab 7 Jahren als vollwertige Menschen. Den heute allseits bekannten Spruch vom nachträglichen Abtreiben nerviger Kinder hätte damals also niemand als Witz verstanden. Hiroshima hingegen war eine der ersten Regionen, die eine derart barbarische Vorgehensweise verboten hatten. Deshalb gibt es in der Region weniger tote Kinder und damit auch kaum Jizo-Statuen (die Beschützer von Kinderseelen). Okay, das löst das Problem mit der Armut aber nicht. Was könnte man statt Reis anbieten, um nicht komplett vor die Hunde zu gehen? Genau: Pinsel. Später, als man keine Pinsel mehr zum Schreiben brauchte, wechselte die Pinselindustrie zu Make-up-Pinseln. Angeblich gab es selbst in Hollywood einen Boom mit in Hiroshima gefertigten Makeup-Pinseln.
Heutzutage ist Hiroshima nicht mehr arm. Ich persönlich finde nicht, dass die Stadt irgendwas besonderes zu bieten hat (die Umgebung hingegen ist sehr schön!). Was jedoch auffallend ist, sind die überdurchschnittlich vielen Okonomiyaki-Buden (zur Erinnerung: Okonomiyaki sind – einfach gesagt – Omelettes mit Nudeln). Wie kommt das zustande und warum heißen die meisten davon [Name]-chan?, höre ich euch fragen. Nun, liebe Kinder, das liegt daran, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg viele Witwen gab, die ja irgendwie über die Runden kommen mussten. Blabla-chan ist ein Suffix, der für Freunde usw. verwendet wird, wo man bei uns vielleicht einen Spitznamen gebrauchen würde. Wenn jetzt etwa „Stephanie-chan“ dort stehen würde, hieße der Laden in Deutschland vermutlich „bei Steffi’s“ oder so. Und warum ausgerechnet Okonomiyaki? Den genauen Grund, liebe Kinder, habe ich vergessen, aber es ging irgendwie in die Richtung von wegen es war wenig Aufwand und in der Anschaffung günstig und/oder einfach.
Was gibt es noch so über Hiroshima zu erzählen? Viele Leute sind nach Hawaii ausgewandert (wann und warum, weiß ich nicht mehr). Die erste japanische Joghurtfirma wurde in Hiroshima gegründet. Es gibt sehr viele Sakebrauereien dort. Der in ganz Japan beliebte, aus Deutschland stammende Baumkuchen wurde zuerst nach Hiroshima eingeführt. Naja und zu guter Letzt noch die paar Sachen, die ich so erlebt habe:
Friedensmuseum und -park
Wie es der Zufall mal wieder so wollte, war auch in Hiroshima die gute Bonnerin am Start. Diese kam kurz nach mir an, blieb allerdings nur drei Tage. Zuerst gingen wir, trotz der langen Schlange vorm Eingang, zum Friedensmuseum.




Die Ausstellung sorgte nicht gerade für Bombenstimmung (ach mann, ihr wisst, wie ich das meine 🙄), doch all die Trauer in mir wurde von WUT erstickt, Wut über die viel zu vielen Menschen, die sich im Museum tummelten wie eine Plage, weshalb man sich null bewegen konnte und nur extrem langsam vorankam! 🤬 Dafür hatten weder ich noch die Bonnerin Nerven übrig, weshalb wir einstimmig das Museum vorzeitig verließen. Vielleicht hätten wir nicht so kurz nach dem Jahrestag des Bombenabwurfs dahin gehen sollen… Naja, der Eintrittspreis war sehr günstig und ich hatte ja noch einen ganzen Monat Zeit, um nochmal herzukommen, wenn weniger lost ist (habe ich natürlich nie gemacht). Update: Ein Freund von mir ging ganze zwei Monate später daran vorbei und teilte mir mit, dass dort immer noch eine extrem lange Schlange war.
Danach sind wir durch den Friedenspark geschlendert, zur Post und schließlich zum Schloss gegangen. Dort war angenehem wenig los. Naja, ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, ob wir alles am selben oder an zwei verschiedenen Tagen gemacht haben, aber ich glaube, so war das.

Iwakuni

Iwakuni, ca. 50 Minuten mit dem Zug von Hiroshima entfernt, war das Ziel eines jener Tage, an denen ich nicht nur überlegte, wegzufahren, sondern es auch in die Tat umsetzte …Obwohl bis zum Mittag noch nicht einmal feststand, wohin ich eigentlich fahren würde. Noch bevor ich ankam, zog sich der Himmel zu und es fing an zu schütten. Sofort war meine Laune im Keller -.- Am Bahnhof angekommen, spielte ich mit dem Gedanken, mich ins Café zu setzen und zu warten, hatte aber eigentlich keine Lust darauf. Deshalb ging ich die kurze (überdachte) Einkaufsstraße entlang, in der Hoffnung, etwas Interessantes zu finden. Ohne Erfolg. Ich machte kehrt und überholte eine alte Oma. Diese bog jedoch genau in diesem Moment urplötzlich um 90° nach rechts und fing an, mich anzuschreien. Ich ließ mich nicht davon aufhalten. Lediglich meine ohnehin schon grimmige Miene versteifte sich etwas mehr. Ein Obdachloser fragte mich nach Kleingeld für etwas zu Essen. Stattdessen bot ich ihm ein Onigiri aus meinem Rucksack an, das er hingegen nach kurzer Bedenkzeit ablehnte und mir noch einen schönen Tag wünschte. Vielleicht dachte er, ich hätte es nötiger als er. Netter Mann. Nun setzte ich mich doch ins Café, das allerdings plötzlich randvoll mit Leuten war. Ich bestellte mir ein Getränk bei der unfreundlichen Kassiererin und quetschte mich irgendwo dazwischen. Alles kacke. Der Regen wurde leichter, hörte aber nicht auf. Sollte ich einfach darauf scheißen, dass ich das Zugticket umsonst gekauft habe, und wieder nach Hause fahren?
Nein. Entweder ich fahre heim, dann wäre der Tag definitiv fürn Arsch gewesen; oder ich nehme jetzt den nächsten Bus zu dieser ollen Brücke da und es besteht noch eine kleine Chance, dass der Tag nicht vollkommen für die Tonne war. Und seit wann macht mir Regen überhaupt so viel aus? Während der Busfahrt hörte es praktisch auf zu regnen. Die Brücke sah ziemlich cool aus, doch wie so oft kostete das Überqueren Geld 🙄 Die andere Seite war aber irgendwie cool, mit den ganzen altertümlichen Häusern, Museen und schmalen Kanälen. Die Atmosphäre ließ sich nur schwer mit einer Kamera einfangen, daher kann ich sie euch leider nicht zeigen. Anyways, der Spaziergang im Nieselregen und der winzige Frosch, der mir auf der Wiese begegnete, halfen mir dabei, mich endlich wieder zu beruhigen und mit einem guten Gefühl heimzukehren.

Miyajima
Bei Touristen sehr beliebte Insel. Zu Recht! Als ich wieder in Tokyo war, wurde auf den Bildschirmen in der U-Bahn die „Miyajima Visitor Tax“ angekündigt. Gut, dass ich schon vorher da war! Ein Typ, der mal in Otsu zu Gast war, mit dem ich eigentlich kaum ein Wort gewechselt hatte, hat über 3 Ecken mitbekommen, dass ich zu der Zeit gerade in Hiroshima war und kurzerhand gefragt, ob wir nicht zusammen was unternehmen wollen. Ich kenne ihn zwar kaum, aber kann ja nicht schaden, dachte ich. Aber Junge, dass es so awkward wird, hätte ich nicht erwartet. Der Typ hat ja noch weniger geredet als ich, dabei war ich derjenige, dessen Japanisch unsicher ist! Versteht mich nicht falsch, er war nicht unfreundlich oder so, aber ich wäre trotzdem lieber alleine dort gewesen… Er hat es echt unangenehm gemacht. Ein Beispiel:

Zu Beginn gingen wir in diesen Schrein, genannt Itsukushima-Jinja. Später auf dem Rückweg kamen wir ein weiteres Mal daran vorbei, woraufhin er der Meinung war, mir erklären zu müssen, dass dies der Itsukushima-Schrein sei, vermutlich weil er absolut nicht wusste, worüber er sonst sprechen könnte. Ich dachte mir nur „Ja ich weiß, da waren wir doch am Anfang drin 🙄“ Naja, hätte aber auch schlimmer sein können. Miyajima war schließlich trotzdem ein schöner Ort.






Bilderflut
Zur Zerstreuung ein paar unzusammenhängende Aufnahmen:













Wandertag in den Bergen
Die Vermieterin hatte bereits früh angekündigt, das Hostel Anfang September, kurz vor unserer Abreise, für einen Tag zu schließen, damit wir alle gemeinsam in die Berge wandern gehen können. Geplant war das Gebiet namens Sandankyo, welches auf den Flyern extrem schön aussah, doch aufgrund eines Erdrutsches war es vorübergehend unzugänglich geworden, sodass wir nur bis zu Nidankyo konnten. Also: Früh aufstehen und erst mal 1h 30min Autofahren (jetzt weiß ichs wieder: „Bleifuß durch Hiroshima“!). Die Vermieterin wollte nur das letzte Stück des Pfades mitgehen, deshalb schmiss sie uns am Eingang zum Wandergebiet raus und wartete an einem Parkplatz auf uns. Also gingen wir zu zweit los.



Ich brauche es nicht mehr extra zu erwähnen, aber das Wetter war wieder sagenhaft. Die Landschaft war unglaublich schön! Viel Wasser, viele Felsen, viel Grün… Ein Abschnitt des Flusses war derart felsig, dass ich der festen Überzeugung bin, man hätte mit Leichtigkeit auf ihm weitergehen können. Es gab auch ein paar Brücken und nicht nur eine, sondern gleich zwei Überfahrten mit dem Ruderboot. Für die erste davon waren wir zu früh dran, deshalb chillten wir eine halbe Stunde rum und badeten wenigstens unsere Stinkefüße, wenn wir schon nicht ganz reinspringen wollten.




Sobald wir wieder zu unserer Vermieterin dazugestoßen waren, marschierten wir noch weitere 20 Minuten bis zur zweiten Bootsüberfahrt, welche uns zum Wasserfall brachte. Dieser war an sich nichts Besonderes, allerdings fand ich die Location cool, die man nur erreichen konnte, indem man sich eben zwischen Felswänden übers Wasser fortbewegt. Dadurch hatte man leicht den Eindruck, es handle sich um ein Geheimversteck (von dem jedoch viele Leute wussten).



Verbotenerweise aßen wir am Wasserfall, bevor wir uns erlaubterweise auf den Rückweg zum Parkplatz machten. Da wir nicht wie geplant die volle Route auskosten konnten, hatten wir noch reichlich Zeit vom Tag übrig, weshalb uns die Vermieterin spontan zu einem über-1000-jährigen Baum fuhr. Dieses Mal durften wir aber direkt wieder mit zurück und mussten nicht nochmal alleine loswandern. Es war definitiv ein sehr gelungener Tag mit unfassbar schöner Natur 🙂


Sonstiges
Ich habe eine weitere Gruselgeschichte für euch: Es geschah eines Nachts… Ich hatte das Zimmer im 1. Stock ganz für mich allein und lag in meinem Bett, als ziemlich genau um Mitternacht ein Klopfen zu vernehmen war. klopf klopf klopf. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber es wiederholte sich immer und immer wieder. klopf klopf klopf. Da es sich außerdem um ein Klopfen auf eine Glasscheibe handelte, wurde mir klar, dass es eigentlich nur eine Erklärung geben kann: Einer der Gäste hatte sich wohl ausgesperrt und klopfte nun ununterbrochen an die gläserne Eingangstür, damit ihn jemand reinlässt. Dass man es bis in den 1. Stock so deutlich hören konnte, war kein Wunder, bei den hellhörigen Häusern in Japan… klopf kopf klopf. Naja, die Vermieterin wird sich schon drum kümmern, schließlich schläft sie unten im Erdgeschoss und ist außerdem mehr für die Gäste zuständig. Doch anscheinend war sie so fest am schlafen, dass sie nichts mitbekam. klopf klopf klopf. Irgendwann erbarmte ich mich und entschloss mich dazu, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Mein Fenster befand sich auf derselben Hausseite wie der Eingang, deshalb wollte ich zunächst runterschauen, um meine Hypothese zu bestätigen, bevor ich mir völlig umsonst eine Hose anziehe. Ich riss die Vorhänge auf und sah–
AAAHHHH!!!!
Ein Gesicht!!! Vor dem Fenster! Im 1. Stock! WHAT THE FUCK, exklamierte ich – inzwischen war ich sehr international geworden 💁♂️ – mit weit aufgerissenen Augen. Der Geist der vergangenen Weihnacht kommt dieses Jahr aber früh! Nach einer sehr langen Schrecksekunde realisierte ich, dass es sich gar nicht um einen Geist handelte, sondern um den australischen Gast, der am vorangegangenen Tag eingecheckt war. Anscheinend hatte ich Recht mit dem Ausgesperrtsein, nur dass das Klopfen nicht von unten kam, sondern aus unmittelbarer Nähe. Weil er das Licht durch die Vorhänge hatte brennen sehen, war er über den Stromkasten hinauf auf eine kleine Fläche vor dem Fenster, von der ich gar nicht wusste, geklettert. Er entschuldigte sich, mir einen solchen Schrecken eingejagt zu haben, während ich ihm erklärte, wieso ich nicht früher reagiert hatte, und wir lachten beide und waren glücklich bis ans Ende unserer Tage.
Tjoa ansonsten… habe ich damals den Supermond nicht sehen können, weil es an dem Abend völlig bewölkt gewesen ist. Apropos, eigentlich wollte ich die ganze Zeit mal auf ein Observatorium oder so hochfahren, um den Sternenhimmel zu betrachten (angeblich soll man viel bessere Sicht haben als von Deutschland aus). Ohne Auto war es aber verdammt umständlich, zu einem geeigneten Spot, oder genauer gesagt, abends von dort wegzukommen. Eines Tages, kurz bevor ich Hiroshima verließ, war ich allerdings so motiviert, dass ich notfalls mit dem Fahrrad gefahren wäre (was immer noch verdammt lange gedauert hätte). Doch leider war es wieder bewölkt. Das war eigentlich meine letzte Chance gewesen. Schade…
Ab der Halbzeit in Hiroshima war ich viel beschäftigt damit, meine nächste Unterkunft zu finden. Ich hatte überlegt, den letzten Monat in Japan entweder in Kobe oder Okayama zu verbringen, entschied mich aber aus mehreren Gründen für Tokyo. Am ausschlaggebendsten war die Tatsache, dass sich viele meiner neuen Freunde dort befanden und ich sie noch ein letztes Mal vor der Heimreise sehen wollte. Tokyo bedeutete aber, dass ich meine Lieblingsfranzosen nicht mehr in Japan wiedersehen würde 😢😢😢 Tokyo bedeutete außerdem noch, und damit hatte ich nicht gerechnet, dass es verflucht schwierig werden würde, so eine Stelle für free accommodation wie hier oder zuvor in Otsu zu finden. Vermutlich ist die Nachfrage dort einfach zu riesig. Da ich keinen ganzen Monat mehr bleiben konnte, hatte ich schlechte Karten gegenüber meinen Mitbewerbern. So zog sich die Suche nach meiner nächsten Unterkunft deutlich länger, als erwartet, bis ich letztenendes doch wieder einen Platz in einem Sharehouse mieten musste. Doch dazu beim nächsten Mal mehr.
Zwei Tage vor der Weiterreise nach Tokyo kam unsere Ablöse in Form von zwei Spanierinnen an. Sie waren so offen, herzlich und sympathisch, dass ich sie sofort ins Herz geschlossen habe. Wir gingen am letzten Tag zu viert in die Innenstadt shoppen und in die Friedens-Arcadehalle. Dort habe ich mich nach langer Zeit wieder ans Plastik-Schlagzeug gesetzt und festgestellt… dass man die Lieder selbst bei miserabler Performance zuende spielen durfte! Das war in Tokyo nie so! Auf diese Weise hat man doch tatsächlich die Chance gehabt zu üben! Hätte ich das früher gewusst, wäre ich öfters hergekommen…
Da ich mich wie gesagt in Hiroshima 75% der Zeit gelangweilt habe, hatte ich es eigentlich nicht in soo guter Erinnerung, aber jetzt, wo ich die positiven Dinge nochmal habe Revue passieren lassen, war der Monat eigentlich nicht so verkehrt 😁 Mein Japanisch machte vor Ort erneut einen kleinen Sprung nach vorne, da die Verständigung mit der Besitzerin fast ausschließlich in jener Sprache erfolgte.
